Samstag, 24. Januar 2009
 
§278a: Dabei sein ist alles PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Rechtshilfe   
Donnerstag, 5. Juni 2008

Hintergrundwissen zum Verabredungsdelikt §278a StGB

Den inhaftierten TierrechtsaktivistInnen wird die Bildung einer kriminellen Organisation nach § 278a StGB vorgeworfen. Dieser Paragraph wurde ursprünglich 1993 gemeinsam mit dem § 165 StGB gegen Geldwäsche eingeführt, um bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität bereits die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation unter Strafe zu stellen, ohne dass von dieser kriminellen Organisation bzw. deren Mitgliedern bereits konkrete Taten begangen
worden sind. Der Straftatbestand ist ein sogenanntes "Vorbereitungsdelikt", das heißt, dass der Tatbestand der kriminellen Organisation ein im Vorfeld zukünftiger verbrecherischer Aktivitäten liegendes Verhalten erfasst, das für sich alleine gesehen straflos wäre.


Mehrere Voraussetzungen müssen gleichzeitig vorliegen, um den Tatbestand der kriminellen Organisation zu erfüllen; im weiteren folgen nun Erläuterungen zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen.


Die kriminelle Organisation muss auf längere Zeit angelegt sein, das heißt auf unbestimmte Zeit oder mindestens auf mehrere Wochen. Die Judikatur spricht konkret von ca. drei Monaten. Weiters muss der Zusammenschluss "unternehmensähnlich" aufgebaut sein, was sich zusammenfassend erklären lässt mit dem Vorliegen von Arbeitsteilung (z.B. Planung und Ausführung), hierarchischem Aufbau (Weisungsbefugnisse bzw -gebundenheit), und einer bestimmten vorhandenen Infrastruktur (z.B. Organisationsvermögen). Eine größere
Anzahl von Personen ist als weiteres Merkmal einer kriminellen Organisation erforderlich – hier hat die Rechtsprechung einen Richtwert von zehn Personen entwickelt. Eine kriminelle Organisation benötigt natürlich auch eine Zielsetzung – die strafrechtlichen Möglichkeiten diesbezüglich finden sich im den Ziffern 1 bis 3.


Jeweils eine Alternative aus jeder einzelnen Ziffer muss gemeinsam vorliegen, damit der Tatbestand erfüllt ist. Die Gesetzgebung hatte bei der Einführung des Delikts der kriminellen Organisation klare Vorstellungen, welche Bereiche der organisierten Kriminalität damit pönalisiert werden sollen, weswegen im Absatz zur Ziffer 1 des § 278a StGB zB. Suchtmittelhandel, Schlepperei oder Waffenhandel dezidiert erwähnt werden. Geschützte Rechtsgüter sind jedenfalls Leib, Leben, Gesundheit oder Eigentum – die kriminelle Organisation muss es sich zum Ziel gesetzt haben wiederkehrend und geplant schwerwiegende strafbare Handlungen gegen diese Rechtsgüter zu begehen.


Die Ziffer 2 behandelt das Streben der kriminellen Organisation nach massiven finanziellen Vorteilen oder einem großen Einfluss auf Politik oder Wirtschaft – dieser angestrebte Einfluss muss ein erheblicher sein, was bedeutet, dass grundsätzliche Entscheidungen politisch oder wirtschaftlich Verantwortlicher dadurch massiv beeinflusst werden sollen. Die Beeinflussung einzelner Unternehmen ist nicht ausreichend – der angestrebte Einfluss bezieht sich auf
Wirtschaft oder Politik als Ganzes.


Die Abschirmung gegen Strafverfolgungsmaßnahmen oder alternativ die Bestechung und Einschüchterung anderer sind die Strafbestandsmerkmale der Ziffer 3. Was genau unter Abschirmung gegen Strafverfolgungsmaßnahmen zu verstehen ist, wurde von Lehre und Rechtsprechung entwickelt. Es müssen jedenfalls Mittel sein, die zum Schutz der kriminellen Organisation vor Strafverfolgung gegen die Behörden ergriffen werden und über die ohnedies üblichen Vorsichtsmaßnamen bei der Verwirklichung verbrecherischer Vorhaben hinausgehen, wie z.B. die Gründung von Scheinfirmen zu Tarnzwecken, der häufige Wechsel von Wertkartenhandys, Verwendung von Codes bei der internen Kommunikation, die Anmietung von konspirativen Wohnungen oder andere Strategien, die die Strafverfolgung erschweren oder unmöglich machen sollen. Es gibt aber auch abweichende Lehrmeinungen, die im häufigen Wechsel von Wertkartenhandys und dem Verwenden von Codewörtern noch keine Abschirmung in besonderer Weise sehen


Diese erwähnten Merkmale einer kriminellen Organisation nach § 278a StGB sind dann erfüllt, wenn eine solche Organisation gegründet wird, oder wenn sich wer an einer solchen als Mitglied beteiligt. Das Delikt benötigt als weiteres Element Vorsatz hinsichtlich aller Organisationsmerkmale.


Das alles klingt nicht neu, sondern wohl bekannt. Alle, die sich mit dem deutschen §129a StGB – der Bildung einer terroristischen Vereinigung – auseinandergesetzt haben, kennen die konstruierten Vorwürfe im Kontext der Kriminalisierung linker Strukturen – unabhängig von Tierrechten, antifaschistischen Aktionen oder G8-Mobilisierungen, die offenbar einzig und allein dazu dienen, mittels der Delikte der terroristischen Vereinigung dem Staat Einblick in linke Gruppierungen bzw. Arbeit zu ermöglichen. Ganz allgemein führen in Deutschland nur 1% der eingeleiteten Strafverfahren wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung zu tatsächlichen Verurteilungen.

(Rechtshilfe/gek.)

Volltext: http://at.indymedia.org/node/10412
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